Donnerstag, 30. Januar 2014

In-STABILITY Training

Aus aktuellem Anlass ein paar Worte zum sogenannten Instability Training - neudeutsch für Training auf instabilem Untergrund.
Am Tag vor Weihnachten war ich im Kraftraum um vor den Feiertagen noch eine Trainingseinheit zu absolvieren. Ich war nicht der einzige der diese Idee hatte, nur das man die meisten anderen sonst nie zu sehen bekommt ;-)
Da stehe ich also vor dem Powerrack und mache meine drei Sätze Barbell-Rows (Rudern mit der Langhantel) nach dem Kreuzheben als meine Nachbarin am zweiten Powerrack, plötzlich mit lautem Getöse von ihrem Balance Board kippt. Die Dame war geschätzte mitte 60 und hat sich wie ich später erfahren habe tatsächlich den Oberschenkelhals gebrochen - schönes Weihnachtsgeschenk!

Seitdem fallen mir praktisch bei jedem besuch im Kraftraum potentielle Kandidaten für solche Verletzungen auf. Ich habe es natürlich auch schon probiert, und fand es durchaus interessant - aber um so etwas ohne guten Grund in meinem Trainingsplan einzubauen wäre es mir zu riskant.

So ähnlich lief auch der Unfall ab von dem ich erzählt habe - nur ohne das aufstehen am Ende:





Die Idee hinter dem Instability Training



Beim Instability Training - egal mit welchem Gerät machen wir uns den Effekt zu nutze dass das Nervensystem bei unsicheren Verhältnissen die Kraft reduziert die ein Sportler ausüben kann. So fühlt sich eine Hantel die normalerweise als leicht empfunden wird plötzlich schwerer an. Wenn ich also nomalerweise locker eine 36 kg Kettlebell pressen kann, fühlt sich auf dem Wackelbrett schon die 24 kg super schwer an. Je instabiler der Untergrund um so stärker der Effekt.
Leider unterliegen die meisten die diese Art zu trainieren betreiben dem Denkfehler dass die auf diese Weise ihre Maximalkraft trainieren können. Das ist leider nicht ganz richtig. Das Training auf instabilem untergrund hat nur unter der Bedingung einen Übertrag auf die Maximal-kraft wenn der Übungsablauf ansonsten komplett identisch ist. So etwas lässt sich temporär nutzen um ein Plateau zu überwinden, aber nicht als Ersatz für das Training mit schweren Gewichten.

Das Chance-Risiko Verhältnis

Wer also bei jeder Gelegenheit auf Bosu-Ball, Rollenbrett, TRX oder einem der zahllosen anderen Geräte die es in diesem Bereich gibt steht trainiert Stabilität (und damit Kraft) als ganzes, sondern nur seine Stabilität wenn er eben auf so einem Ding steht - ein Übertrag auf andere Situation ist besten falls Zufall.
Zudem kommt noch der Effekt dass wir Menschen dazu neigen Risiken an die wir uns gewöhnt haben aus den Augen zu verlieren - und das kann wie meine einleitende Geschichte illustriert fatale Folgen haben.
Bei vielen dieser Geräte gilt: 
"wenn etwas schief geht, dann plötzlich!"
Gerade jemand der so oft geübt hat dass er beginnt sich sicher zu fühlen, hat somit das grösste Risiko sich zu verletzen.

Einsatzfelder für Instability Training

Wie oben schon erwähnt kann Training auf wackligen Untergründen dazu genutzt werden um Plateaus zu überwinden - aber nur wenn die Bewegungsablauf identisch wie bei der eigentlichen Übung ausgeführt wird.
Kenneth Jay erklärt in Seinem Buch "Perfecting the Press" einige Plateau Breaker-Übungen für den Military Press die auf diesem Prinzip basieren.
Des weiteren hat Harald, seines Zeichens Experte für alles was mit Lauferei zu tun hat, mir berichtet dass Cross-Country-Läufer sehr gute Erfahrungen damit gemacht haben. 
Kilian
Für Trailrunner empfohlen
Jeder Sportler, der bei der Ausübung seiner Sportart mit unsicheren Untergründen rechnen muss oder bei dem es auf besondere Agilität ankommt kann sicherlich von ein paar Einheiten auf Bosu Ball, Slackline, TRX und Co. profitieren. 
Auch für FMS Korrektur-Übungen lässt es sich sinnvoll einsetzen.


3 Voraussetzung für erfolgreichen Einsatz ist:

1. Der Sportler braucht eine gute Grundlagen an Kraft und Stabilität - wer schon Schwierigkeiten hat seinen Körper bei einer normalen Liegestütze stabil zu halten oder wer bei einer Kniebeuge einen krummen Rücken bekommt hat nichts auf unstabilen Untergründen zu schaffen.
2. Weniger ist mehr - Unser Nervensystem ist sehr gut darin sich auf neue Situationen einzustellen, darum reichen meist schon wenige kurze Session um den gewünschten Effekt zu erzielen. Mehr ist nicht mehr, sonder nur riskanter.
3. Nur in ausgeruhtem Zustand - Wie oben schon erwähnt: wenn etwas schief geht, dann plötzlich. Darum sollten solche Übungen keinesfalls in ein Workout eingebaut werden oder ans Ende des Training angeflanscht werden. Gleich am Anfang einer Trainingssession nach einem leichten Aufwärmtraining ist der richtige Zeitpunkt.

Fazit

Training mit unsicheren Untergründen sollte weder exklusiv noch als Ersatz für richtiges Krafttraining ausgeübt werden.
Wer noch keine gute Basis von Stabilität und Kraft mitbringt sollte lieber die Finger davon lassen und sich diese erst mit sinnvollem Krafttraining erarbeiten.
Bei Fortgeschrittenen Athleten kann es als Ergänzung zu normalen Programm durchaus Trainingsfortschritte begünstigen. Beim Einsatz sollte man sich aber der Risiken bewusst sein.

PS: Wer jetzt erst mal seine Kraft und Körperspannung verbessern will ist hier oder hier richtig aufgehoben.

2 Kommentare:

  1. Hallo Florian,

    ich stimme deinen drei Voraussetzungen uneingeschränkt zu. Weil ich selbst Instability-Training betreibe (danke für den Link übrigens), merke ich relativ schnell, wenn ich unaufmerksam oder unausgeruht bin.
    Letzte Woche habe ich eine Gruppe Laufanfänger einige Minuten Balanceübungen machen lassen: fester Untergrund, auf einem Bein stehen. Jeder hat an sich selbst feststellen können, dass eine ordentlich angespannte Rumpfmuskulatur notwendig ist.

    Ohne stabilen, trainierten Core braucht man sich nicht auf Therapierkreisel oder -kissen stellen, der normale Boden tut es da schon.

    Viele Grüße,
    Harald

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  2. Hallo Harald,

    freut mich das Du als "praktizierender" auch meiner Meinung bist. Gestern im Kraftraum habe ich eine der Trainerinnen dort bei Liegestützen auf dem Balance Board zugeschaut. Nach dem ich ihr die Daumen Hoch gegeben hatte hatte sie mir sofort versichert wie schwer das ist und lies mich probieren - ich glaub sie war etwas enttäuscht das ich nicht gleich wieder runtergepurzelt bin ;-)
    Eine gute Rumpf-Stabilität bringt dich ganz schön weit - auch ohne auf dem Wackelbrett geübt zu haben;-)

    Gruss Flo.

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