Mittwoch, 14. November 2012

Funktionales Training ist...

....wenn Er Tae Kwon Do lernt, um Sie beschützen zu können. :-)
Paul ist einer meiner fleißigsten Schüler!

Das Prädikat "funktional" ist zur Zeit fast überall zu finden, wo es um Training geht. Wie alles, was hip ist und was deswegen jeder mitmachen will, wird es häufig missvertanden. Anhand von zwei Youtube Videos möchte ich beispielhaft erläutern, was es denn eigentlich bedeutet funktional zu trainieren.

Der "Funktionalitäts"-Junkie


Spannende Dinge geschehen, um Training funktionaler zu machen:


Lasst uns doch mal kurz darüber sprechen, was der Gute hier anstellt. Das schwarze Dingens, das er hier in der Hand hält, nennt sich Vipr (ich weiss nicht genau wie man das ausspricht) und ist eine der neuesten, heissesten Entwicklungen auf dem Fitnessmarkt.
Es ist vermutlich den Baumstämmen der Higlandgamer nachempfunden - und, wie man sieht, gibt es viele lustige Übungen, die man damit anstellen kann. Manche der Übungen, die der gute Mann hier vorführt, haben einen "funktionalen Kern" - damit will ich sagen, dass sie funktionale Bewegungsmuster nachempfinden. Schaufeln ist ein sehr funktionales Muster - wenn Du ein gutes Fundament an Kraft hast und eine Wirbelsäule, die die Rotation verträgt - allerdings ist das Belastungsmuster mit dem Gummirohr leider ein komplett anderes, als mit einen echten Schaufel und echtem Sand.
Um seinem Training noch ein kleines Sahnehäubchen aufzusetzen, stellt unser Protagonist sich auf die beiden Bosu-Bälle - Ist das einen gute Idee? Mal überlegen: Die Bosus nehmen ihm jeden soliden Kontakt zum Untergrund und er versucht in dieser Situation Kraft auf seinen Vipr zu übertragen - vielleicht ist es gut, dass das gar nicht gelingen kann.

Mein Tae Kwon Do Meister würde vermutlich sagen: 'LIEBER NOCHMAL NACHDENKEN!'

Dieses Trainings-Programm wird vermutlich über kurz oder lang mit einem gebrochen oder verstauchten Knöchel und einigen Wochen / Monaten Reha enden. Selbst wenn kein Unfall ihn zum Aufhören zwingt, ist es unwahrscheinlich, dass er durch dieses Training insgesamt leistungsfähiger wird - er kann einfach unter diesen Umständen nicht intensiv genug trainieren, um seinen Körper dazu zu motivieren Leistung aufzubauen.

Die Artistin




Dieses zweite Video hat Youtube erstaunlicherweise in der "ähnliche Videos" Sektion des ersten angezeigt.
Wie Youtube darauf kommt ist mir ein Rätsel. Zunächst einmal ist diese Frau Weltspitze, wenn es 30 Leute weltweit gibt, die das so nachmachen können, ist es vermutlich viel. Könnten wir sie fragen würde sie vermutlich nicht davon sprechen funktional zu trainieren - sie übt einfach.
Lasst uns überlegen, was sie mit dieser Übungssession alles trainiert:

  • Greiffkraft - sie hält ihr komplettes Körpergewicht mir einer Hand - vermutlich könnte sie einem gestandenen Mann die Finger brechen ohne dabei eine Miene zu verziehen.
  • Aktive Flexibilität - sie zeigt eine aktive Flexibilität vom anderen Stern.
  • Körperspannung - sie ist während der gesamten Sequenz unter Anspannung - wäre es anders würde sie runterfallen.
  • Kraft - der einarmige Press in den Handstand ist eine Leistung, die sogar unsere RKC Beast Tamer in den Schatten stellt - sie zeigt ihn auf beiden Seiten.
  • Vollständige Kontrolle über die Situation - es sieht leicht aus - sie geht während dem Training nicht an ihre Grenzen.
Hier ist ein Profi am Werk - vermutlich ist sie Zirkusartistin. Sie trainiert kontrolliert und ohne sichtliche Mühe. Auf diese Weise wird Sie langfristig zwangsläufig leistungsfähiger - das Verletzungsrisiko ist in diesem Bereich minimal. Wir können gespannt auf das Video von nächsten Jahr warten.

Mein Fazit

Funktionales Training hat nichts mit dem Training selbst zu tun, sondern beschreibt dessen Ergebnis. Wenn ein Trainingsprotokoll dazu führt, dass sich ein Transfereffekt zu möglichst vielen anderen, nicht direkt geübten Disziplinen einstellt, dann nennt man das funktional. Fehlt dieser Transfereffekt - übe ich einfach eine bestimmte isolierte Fertigkeit.
Durch seine Bemühungen sein Training besonders funktional aussehen zu lassen, hat unser "Funktionalitäts"-Junkie eine Situation geschaffen, die so spezifisch ist, dass er, falls er unverletzt bleibt, sicher keinen Transfereffekt bemerken wird.
Das Training unsere Artistin dagegen obwohl, hoch spezialisert, macht sie auch in anderen "Disziplinen" zu einer beachtlichen Athletin. Würde sie die Körperkraft, die sie in diesem Video an den Tag legt zum Beispiel an herkömmlichen Hanteln testen, würde sie viele von uns ziemlich alt aussehen lassen.

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