Mittwoch, 22. Januar 2014

Lasst was hören!

In meinem Artikel im November habe ich darüber geschrieben, wie Du über die Atmung Deine Leistungsfähigkeit steigern kannst. Aufbauend auf diesen Artikel will ich heute darauf eigehen, wie sich eine korrekte Atemtechnik anhören muss, um effektiv zu sein.

Anekdote einer meiner Gürtelprüfungen im Tae Kwon Do

Es muss eine Prüfung zum Blau- oder Rotgurt gewesen sein. Die Pflicht (Formenlauf) hatte ich schon erfolgreich hinter mich gebracht, nun kam die Kür, diese besteht bei uns aus Freikampf (kontaktloses Sparring), 1-Schritt-Kampf (formalisierte Selbstverteidigungstechniken) und dem bekannten Bruchtest zum Abschluss. Beim 1-Schritt-Kampf verteidigt sich der Tae Kwon Do-Kämpfer gegen einen geraden Fauststoß zu Nase. Die Techniken sind (zumindest in meinem Verband) frei wählbar, laufen aber immer nach dem gleichen, dreistufigen Schema ab. Zuerst wird der gegnerische Angriff durch eine Ausweich- oder Blockbewegung (oder beidem) abgewehrt, dann folgt ein erster kurzer Konterangriff (meistens auf einen Nervenknoten gezielt), der das Ziel hat Schmerzen zu verursachen und den Gegner zu beschäftigen. In der dritten und letzten Stufe findet dann der eigentliche Gegenangriff statt mit dem Ziel den Gegner nachhaltig kampfunfähig zu machen, die Technik wird mit dem Tae Kwon Do Kampfschrei "Kihap" beendet. Meine Techniken für diesen Teil der Prüfung hatte ich mir schon lange vorher zurechtgelegt, so dass ich mir da eigentlich keine Sorgen machte. Ich zeigte also die erste meiner Techniken und endete mit dem bewussten "Kihap". Aus dem unterbewussten Bedürfnis heraus niemanden zu stören hatte ich mir angewöhnt diesen mehr zu sagen als wirklich zu schreien. Nach der zweiten gezeigten Technik unterbrach Großmeister Son Jong Ho meine Prüfung und fragte mich, warum ich denn mit meinem Kampfschrei gar so zurückhaltend wäre. Meine Antwort "Ich schreie halt nicht so gerne". Herr Son erklärte mir, dass der Kampfschrei ein integraler Bestandteil des Tae Kwon Do ist und dass ich mir also möglicherweise den falschen Sport ausgesucht hätte. Ich meinte, dass sei bestimmt nicht der Fall! Gut sagt er, dann möchte er jetzt echte Kampfschreie hören.
Die nächsten 15 Minuten durfte ich dann weiter den Einschritt-Kampf üben bis Herr Son mit meinem Kampfschrei zufrieden war.
Der abschließende Bruchtest am Ende der Prüfung, ging durch wie Butter obwohl ich da bereits ziemlich erschöpft war.

Der Bruchtest klappt besser mit lautem Kihap

Was damals eine recht unangenehme Erfahrung für mich war, (erstens gingen mir nach etwa 5 Minuten die Techniken aus und zweitens begannen die ca. 60 Zuschauer irgendwann ungeduldig von einem Bein aufs andere zu treten), sehe ich heute als eines der wichtigsten AHA-Erlebnisse meiner Sportler Karriere.

Schreien lernen

Natürlich habe ich diese drastische Lektion nicht vergessen und mir Mühe gegeben von diesem Tag an echte Kampfschreie aus zustoßen. Was für ein Unterscheid das in meinem Tae Kwon Do gemacht hat - meine Formen wurden kraftvoller, meine Techniken stärker und meine Bruchtests gingen wesentlich leichter.
Außerdem habe ich und andere auch im Alltag eine Wirkung bemerkt:
Meine Eltern haben mir erzählt, dass ich ein jähzorniges Kind war. Als junger Erwachsener hatte ich dieses Charakterzug so weit zurückgedrängt, dass ich praktisch nie ärgerlich reagiert habe, wenn mir etwas gegen den Strich ging. Das hat, kann ich Euch sagen, ziemlich große Nachteile - zum einen bekommt die Umgebung so meistens nicht mit, dass einem etwas stinkt und außerdem fehlt ein wichtiges psychologisches "Ventil", um den sich aufbauenden Überdruck mal abzulassen.
Als ich damit begann meine Emotionen im Training durch den Kampfschrei kontrolliert einzusetzen, bemerkte ich, wie auch die Menschen in meiner Umgebung das plötzlich auch im Alltag gelang. Heute lasse ich meine Umwelt nur mehr selten im Unklaren über mein Gefühlsleben, auch wenn die in der Regel Ausdrucksform gemäßigter ausfällt, wie in meiner Kindheit ;-)
Als Trainier versuche ich meine Schüler dazu zu animieren, sich ebenfalls zu überwinden und die Fähigkeit zu entwickeln nicht nur den ganzen Körper in ihre Techniken einzubringen, sondern ihr ganzes Sein. Die Belohnung dafür ist vielfältig und folgt meistens unmittelbar.

"Kampfschreie" beim Training mit der Kettlebell


Durch die schnelle, sich stetig wiederholende Übungsfolge im Hardstyle Kettlebell Training sind echte Schreie auf Dauer eher ungeeignet - obwohl wir sie verwenden, um Anfängern die richtige Atemtechnik beizubringen. Fortgeschrittenere Gireviks würden sich allerdings bei Snatchtest und Co. vermutlich heiser schreien.
Das Kettlebell Equivalent zum Kampfschrei ist eine kurze, gepresste und damit deutlich hörbare Ausatmung am Apex jeder Wiederholung. Im folgenden Video von Alexej in den letzten Zügen eines Snatchtests hört man schön was ich meine:



Besonders die Mädels, aber auch viele Männer tun sich am Anfang schwer damit, so laut zu atmen. Wir sind alle von Kindheit an so darauf konditioniert, andere nicht zu belästigen (vor allem mit den Geräuschen unseres Körpers), das es schwer fällt, sich diesbezüglich umzustellen. Wer in einem Kettlebell Studio trainiert, der tut sich noch relativ leicht, weil ja alle anderen auch wie die Lokomotiven klingen. Bist Du aber darauf angewiesen in einem normalen Studio zu trainieren, kannst Du durchaus damit rechnen, schräge Blicke zu ernten. Trotz dieser anfänglichen Hürden lege ich es jedem sehr ans Herz sich zu überwinden und die korrekte Hardstyle Atmung immer einzusetzen. Das Atemmuster wird genau so zur Gewohnheit wie es eine saubere Technik sein sollte. Damit Du Dich sicher darauf verlassen kannst, dann wenn es darauf ankommt durch die richtige Atemtechnik eine Kraftreserve zu haben, musst Du diese bei jeder Wiederholung, die du machst, üben.
Ich sehe das immer schön in den Gürtelprüfungen im Tae Kwon Do: Wenn es zum Bruchtest kommt haben die Schreihälse einen klaren Vorteil. Sie haben im Training geübt den Kihap (=Kampfschrei = Atemstoß) mit ihrer Technik zu synchronisieren. Denen, die im Training kaum je einen Ton hören lassen, gelingt es meist nicht und der Kihap kommt erst deutlich nach dem Treffer - nicht selten macht das den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg.

Im Kettlebell Training (wie auch im Tae Kwon Do) gilt also:
Schweigen ist Silber, laut sein ist Gold!

In diesem Sinne: Viel Spass im Training. 

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